Zians-Haas Rechtsanwälte

Protokolle in französischer Sprache verfassungswidrig

27.11.2025

Der Verfassungsgerichtshof entschied am 27.11.2025 über zwei Vorabentscheidungsfragen zur Sprache von Protokollen nach Artikel 11 des Gesetzes über den Sprachengebrauch in Gerichtsangelegenheiten

Ausgangslage

In zwei Verfahren (Nr. 8386 und 8404) ging es um Protokolle über Verstöße, die in der deutschsprachigen Region begangen und festgestellt wurden, aber in französischer Sprache abgefasst waren, weil sie in einem Büro außerhalb der Deutschsprachigen Gemeinschaft erstellt wurden.

Das Korrektionalgericht Eupen und der Appellationshof Lüttich stellten dem Verfassungsgerichtshof jeweils die Frage, ob dies verfassungswidrig sei.

 

Zentrale Rechtsfrage war somit:

Welcher Ort bestimmt die Sprache eines Protokolls?

  1. Sprache nach Ort der tatsächlichen Feststellung der Tatsachen (Ort der Tat)
  2. Oder Sprache nach Ort, an dem das Protokoll formell niedergeschrieben wird (Redaktionsort)?

 

Entscheid des Verfassungsgerichtshofs

Der Hof prüfte zwei mögliche Auslegungen von Artikel 11 des Gesetzes über den Sprachengebrauch in Gerichtsangelegenheiten:

1. Interpretation: Sprache nach Ort des Büros

Diese Interpretation wurde als verfassungswidrig gewertet.

2. Interpretation: Sprache nach Ort der Tat

Diese Interpretation ist verfassungskonform.


Damit muss ein Protokoll, das Feststellungen und Sachverhalte in der deutschsprachigen Gemeinschaft betrifft, immer auf Deutsch erstellt werden, unabhängig davon, wo der Beamte sich später befindet, um das Protokoll zu schreiben. Die Vorgehensweise, die Protokolle bezüglich Geschwindigkeitsübertretungen, die in der DG begangen wurden, von der Bußgeldstelle NAMUR in französischer Sprache erstellen zu lassen, wurde somit als verfassungswidrig eingestuft.

Wir freuen uns sebstverständlich, dass einige unserer Argumente vom Verfassungsgerichtshof aufgegriffen wurden. 

So hatten wir argumentiert, dass die systematische Auslagerung des Redaktionsortes zu einer strukturellen Benachteiligung der Rechtssuchenden im deutschen Sprachgebiet führt. Diese These übernahm der Verfassungsgerichtshof in seiner Begründung. 

Auch hatten wir dargelegt, dass die fehlende Verständlichkeit eines Protokolls bereits im Ermittlungsstadium eine Verletzung der Verteidigungsrechte darstellt und es so zu keinem fairen Prozess kommen konnte. Der Verfassungsgerichtshof bestätigte auch diese Perspektive. 

Zuletzt hatten wir auf das Prinzip der Einsprachigkeit und die Systematik des Sprachenrechts verwiesen. Der Gerichtshof bestätigt das normative Ziel des Gesetzgebers („Gebietssprache ist Verkehrssprache“) und verurteilt die entgegenstehende Praxis klar.

Der Entscheid stellt nunmehr zweifelsfrei klar, dass:

  • Protokolle für Taten im deutschen Sprachgebiet zwingend in deutscher Sprache abzufassen sind, auch wenn die Behörde ihren Sitz außerhalb hat.
  • Eine Verwaltungspraxis, die diese Verpflichtung durch organisatorische Tricks unterläuft, verfassungswidrig ist.

Die Gerichte müssen nun entscheiden, ob diese Verfassungswidrigkeit zu der Ungültigkeit des Protokolls führt. Wir werden diese These jedenfalls vertreten.

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